Wüstes Betriebssystem

Ich konnte es erst gar nicht glauben, als ich hörte, dass Apple sein neues OS Mojave nennen will. Erst nachdem ich einige Monate mit dem neuen Hintergrundbild gelebt habe, verstehe ich, dass alleine dieses ein ausreichender Grund für den Namen wäre.

Das „Dynamic Wallpaper“, wie Apple es nennt, Zeigt eine große Düne, die passend zur aktuellen Tageszeit mit Schattenwurf und Himmel präsentiert wird. Es ist eine absolute Kleinigkeit, ohne nennenswerten Nutzen, aber man hat das Gefühl, dass es irgendwie „richtig“ ist.

Das größte Problem, das ich mit dem Namen Mojave habe ist dies: Microsoft hat den Namen zuerst verwendet, um Windows Vista von seinem schlechten Image zu lösen. Wenn ich also Mojave lese, dann denke ich „alter Wein in neuen Schläuchen“ und Cancel or Allow. Die tägliche Erfahrung mit dem OS zeigt aber, dass es solide ist und im Vergleich zu seinem Vorgänger ganz gut dasteht. Und wenn ich mich erinnere: Von „Sierra“ auf „High Sierra“ zu wechseln oder von „Lion“ zu „Mountain Lion“ - originell war auch das nicht.

UPDATE: Es gibt jetzt eine Webseite, die Dynamische Wallpaper sammelt und zum Download anbietet. 

Richtig Retro (Updated)

Normal ist langweilig. So sehr man sich über die nahezu perfekten Bilder, die heutige Digitalkameras machen, freut - manchmal möchte man etwas anderes. 

Es gibt unzählige Hilfsmittel um Filmkörnung, Plastiklinsen, SW-Film oder das Vergilben von Fotos zu immitieren. Wer ein alter Computer-Hase ist, der hat bestimmt auch schon mal das eine oder andere Bild absichtlich verpixelt. Natürlich geht das auch sofort auf dem iPhone.

Wenn man aber wirklich wissen möchte, wie ein Bild auf einem alten Heimrechner ausgesehen hätte, der wird mit den meisten Programmen ein wenig beschummelt. All zu oft beschränkt man sich zwar die Auflösung und die Farben, aber die Grafikmodi der alten Rechner hatten oft andere Einschränkungen, die zunächst weniger offensichtlich waren. Ich benutze da gerne eine App namens Retrospecs, bei der sich die Entwickler viel mühe gegeben haben. Man braucht etwas Zeit um sich in dem User-Interface zurecht zu finden. Dann kann man aber nicht nur originalgetreue Pixelbilder erzeugen, auch die Phosphorschicht, Farb-Verzerrungen, Scanlines und andere Einflüsse kann man nach Bedarf dazuschalten. Viele verschiedene Computersysteme lassen sich nachstellen und dabei wurde auf historische Korrektheit geachtet.

Update: Die Funktion, die Bilder auf einen echten alten Computer zu laden fehlt bei Retrospecs. Aber es gibt ein richtiges C64 Malprogramm für das iPad, das auch Koala und PRG-Dateien erzeugt. Eine kleine Hürde: Man benötigt die App Pythonista, und dann kann man sich den Code von Redux Paint über GitHub holen. Ich werde mir das bald einmal ansehen.

Was ist der Unterschied?

Momentan habe ich im Rahmen meiner Arbeit oft die Aufgabe Unterschiede zwischen zwei Versionen einer Datei zu beurteilen und zu kommentieren. Diese sind mitunter sehr Umfangreich. Kein Problem, sollte man meinen, denn es gibt ja die bewährten Diff-Programme. Hier mal ein Bild von VisualDiffer auf dem Mac.

Auch Git macht ja gerne Unterschiede „als Diff“ sichtbar. Aber leider sind nicht alle Unterschiede so einfach zu finden. Ein graphisches Programm generiert beispielsweise umfangreiche XML-Dateien, bei denen die Reihenfolge der Objekte schnell variieren kann und sich auch identische Inhalte in einem anderen Kontext neue Laufnummern bekommen. Diffs arbeiten nach verschiedenen Algorithmen, aber im allgemeinen erkennen sie beispielsweise nicht zuverlässig, ob zwei ähnliche Blöcke vertauscht, oder ineinander geändert wurden. Um bestimmte Unterschiede zu bewerten bräuchte es einen Kontext, der über die bloße Sequenz von Buchstaben hinausgeht.

Ein Beispiel wie man sich behelfen kann: Microsoft Word hat schon seit langem eine Funktion im „Überprüfen“-Reiter, mit der man zwei Dokumente vergleichen kann. Das war bitter nötig, weil das binäre Dateiformat traditionelle Diffs unmöglich machte. Außerdem kann es Änderungen dauerhaft protokollieren, während sie geschehen. (Das benötigt man für eine Undo-Funktion ohnehin.)

Leider haben nicht alle Hersteller die Notwendigkeit für eine solche Funktion erkannt. Hätte mein spezielles Programm seine eigene Unterschiedserkennung, dann wäre vieles einfacher. 

Amiga-Werbung von damals

Ein altes Prospekt für den Amiga 500 habe ich damals in einem Ordner abgeheftet (siehe Foto). Ein paar Dinge finde ich aus heutiger Sicht bemerkenswert.

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Was vielleicht als erstes in’s Auge springt ist das Foto auf der rechten Seite. Man spielt mit dem Namen Amiga - Freundin und zeigt den Computer in einem Mädchenzimmer. Das kommt nicht bei jedem gut an, aber ich fand es eine tolle Sache. Den Spaß am Computer sollten doch alle haben! Marketing, das sich zu stark auf männliche Attribute stützt, wird irgendwann auch langweilig. Es geht nicht immern nur um das große Business, sondern um normale Menschen - geschmackvoll und freundlich anstatt bierernst und sachlich.

Auf der linken Seite sieht man verschiedene Programme, die die Vielseitigkeit des Rechners darstellen sollen. Da ist ein Flugsimulator und ein simuliertes Radar - dazu kann ich wenig sagen. Auch über die Erdkunde-Software, weiß ich nicht viel.

Saucer Attack ist allerdings bereits auf den C64 ein simples und trotzdem graphisch beeindruckendes Spiel. Jim Sachs hat viele großartige Bilder und Spiele für den Amiga gemacht. „Ports of Call“ und „Defender of the Crown“ sind vielleicht die bekanntesten seiner Werke, aber da ist viel mehr und es wäre einen eigenen Artikel wert. Das Bild des Auges von Avril Harrison, das als Demo-Bild für Deluxe Paint bekannt ist, steht hier sicher auch für das - in meinen Augen unübertroffene - Malprogramm.

Besonders faszinierend ist vielleicht das Ray-Tracing-Bild, denn es ist ein HAM-Bild, dass den Farbraum von 4096-Farben nutzt - ein fotorealistisches Bild in Fernsehqualität! Das Programm, mit dem es berechnet wurde, war kostenfrei auf einer Public Domain Diskette zu bekommen. Die Berechnung dieser Szene dauerte auf meinem Amiga 500 über einen Tag. Anders als bei vielen gängigen Programmen, war hier nicht allles aus kleinen Dreiecken aufgebaut, sondern die Oberflächen der Kugeln waren glatt. Mich beeindruckte vor allem auch wie realistisch Wasser wirkte.



Der Sound macht die Musik

Es gab viele Musikprogramme für Computer, aber keines war am Ende der 80er bedeutender als der Soundtracker.

Heute ist es beinahe vergessen, aber in der Welt der Computer war die Darstellung von Noten und Pianorollen nicht immer das Nonplusultra. Während es klassischen Notensatz bei vielen Titeln gab (zb. Aegis Sonix, Fairlight) und viele Sequencer (wie Cubase oder Bars'n'Pipes) gerne einen Klang als einen Balken anzeigten, hatten Programme wie Chris Hülsbecks Sound Monitor, Romuzak und später (Octa)Med eine Darstellung, die wie ein Speicherauszug aussieht, aber klar lesbare Notennamen mit Oktavangabe benutzt.

Soundtracker arrangierte die 4 Tonkanäle (Stereo: 2 links, 2 rechts) des Amigas als Spalten zu meist 64 Beats. Das war ein Pattern. Diese Pattern konnten dann in einer Sequenz beliebig arrangiert werden. Jeder Note im Pattern war eine Sample Nummer zugeordnet. Die Samples hierfür konnte man aus einer selbst erweiterterbaren Klangbibliothek von anfangs 9 Disketten wählen. Viele der Klänge stammten von beliebten Keyboards aus der Zeit. Wir selbst haben ein Yamaha PSR-38 und eine echte E-Gitarre gesampled, um unsere Stücke aufzupeppen. Auch der eine oder andere Sound aus einem Lied, das man mochte, wurde kurzerhand von einer Audiokassette gesampled: Yello, Tangerine Dream, Enigma, Michael Jackson - niemand war vor den Raubmusikern sicher.

Erst nach ein paar Jahren kamen die PC-User in den Genuss der gleichen Technik. Völlig ohne Ahnung, warum das MOD-Format für 4 Stimmen und harte Stereo-Trennung gebaut war, blieben sie diesen Beschränkungen aber oft treu und „vergewaltigten“ die Soundblaster-Chips, um unter CPU-Last die Kanäle mit einem Puffer zu mixen. Aber da man zehnmal mehr Takte pro Sekunde hatte, als der Amiga, waren die Ergebnisse ganz passabel - wenn der AD-Wander und Verstärker den Klang nicht ruinierten.

Es gab zahlreiche Erweiterungen am MOD-Format. Über Codes am Ende der Zelle konnten schon beim Soundtracker in jedem Beat Klangparameter verändert werden. Dort brachte jeder Tracker seine eigenen Erweiterungen unter und viele unterstützten acht statt vier Spuren. Dabei mixten sie je zwei Spuren ähnlich wie PC-Tracker einfach mit der CPU in einen echten Audio-Kanal. Das klang nicht besonders, aber gab mehr freiraum beim Komponieren.

Wer heute einmal mit Sampling experimentieren möchte kann das übrigens mit Garageband auf dem iPhone erledigen. Über das eingebaute Mikrofon kann schnell ein Instrument aufgenommen werden und dann zum Komponieren genutzt werden. Professionelles Sampling ist heutzutage ein aufwändiger Prozess mit sehr vielen Aufnahmen, der sehr natürlich klingende Sounds generiert. Elektronische Klänge sampled man heute kaum noch.

DTP-Software damals und heute

Serif stellt dieser Tage seine Vorab-Version von Affinity Publisher vor. Ich habe das Programm geladen und mit meinen alten Favoriten verglichen.

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Viele wollten damals eine Schülerzeitung machen. Mit Fixo-Gum-Klebstoff und einem Fotokopierer ging man zu Werke, aber wer modern war, der machte das mit dem Computer. Computer mit schneller Grafik machten WYSIWYG möglich und das brachte eine neue Programmgattung hervor: DTP-Software.

Für eine Schülerzeitung fehlte mir das Interesse an den Inhalten, aber eine Computerzeitung - das wollte ich unbedingt probieren. Ein paar Gleichgesinnte waren schnell gefunden, nachdem ich mit „The Newsroom“ einen Prototyp ausgedruckt hatte. 

Das Programm, das es für C64, den Apple ][ und eine Reihe von anderen Heimcomputern gab, hatte eine beinahe freundliche grafische Benutzerschnittstelle und eine ansehnliche Sammlung von Clip-Art-Grafik. Das zweispaltige Layout war recht streng, ließ sich aber mit ein paar Tricks ganz gut für kleinere Artikel nutzen. Trotzdem sehen sich (bis zu einem gewissen Grad) alle Newsroom-Zeitungen ein wenig ähnlich - nicht zuletzt auch, weil nur fünf Schriftschnitte zum Einsatz kamen.

Später, als wir auch GEOPUBLISH hinter uns gelassen hatten und mit Pagesetter auf dem Amiga experimentierten, spotteten wir oft über die Druckqualität des alten MPS-Druckers: „Verbinde die Punkte und lies die Zeichen“. Man musste nicht unbedingt einen 24-Nadel-Drucker haben, aber ein Ausdruck mit weniger als 200DPI wurde nicht mehr toleriert.

Nun ist es einerseits im Zeitalter des Internets etwas antiquiert, wenn man Druckerzeugnisse generiert, obwohl das Publikum doch online viel besser zu erreichen ist. Andererseits sind gerade bezüglich der Gestaltung HTML und CSS noch weit von der Ausdrucksvielfalt gedruckter Magazine entfernt. Braucht die Welt jetzt ein neues DTP-Programm?

Affinity-Designer benutze ich oft und gerne und auch Affinity Foto verwende ich gelegentlich. Beim Öffnen von Affinity Publisher habe ich ein Déjà-Vu, denn auf den ersten Blick sind die drei Programme nicht zu unterscheiden. Es zeigt sich, dass es hier nicht um ein Programm für den Anfänger geht. Zwar ist schnell eine Seite zurechtgezimmert, aber all zu leicht sind die Ränder falsch und die Schriftgrößen unterschiedlich. Ohne einen Rückgriff auf die Anleitung bzw. die Tutorial-Videos, die dankenswerter Weise bereits beim Programmstart angeboten werden, bleiben die Ergebnisse weit hinter dem Potenzial des Programms zurück. Man kann viel einstellen und muss es aber eben oft auch. Allerdings nur einmalig, denn die Möglichkeiten von Master-Seiten und Stil-Vorlagen erscheinen umfangreich und professionell. Ich habe nicht die Zeit, das Programm auf Herz und Nieren zu prüfen, aber ich bin zuversichtlich, dass es für den ernsthaften Einsatz zu überzeugen weiß.

© Sven Mertens 2019