Arcade im Wohnzimmer

Spiele mieten? Ja, das kenne ich. Bei vielen Videotheken gab es in den ausgehenden 2000ern auch Spiele für einige Konsolen zum ausleihen. Das war natürlich günstig, um nur schnell mal reinzuschauen, aber teuer, wenn man ein Spiel wirklich durchspielen wollte. Aber wen interessiert das Bezahlmodell? Entscheidend ist erst einmal, ob die Spiele Geld und Zeit überhaupt Wert sind. Und genau da hatte ich bei Apples Abo Dienst Zweifel.

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Ich hatte nicht die Zeit, mir auch nur einen Bruchteil der vielleicht 100 Spiele anzusehen, die in den ersten Tagen des neuen Dienstes verfügbar sind. Was sollte man auswählen? Vieles ging im Ausschlussverfahren. (Frogger spiele ich z.B. lieber auf einem 8 Bitter.) Als erstes schnappte ich mir The Pinball Wizard

Der Song von The Who klingelt sofort in manchem Ohr, wenn man den Namen hört. In meinem Kopf spielt bei dem Titel stattdessen allerdings der 21st Century Common Man von Tangerine Dream; Dieser Track ist nämlich die Hintergrundmusik zum ebenfalls Pinball Wizard getauften Flipper-Spiels für den Amiga vom Billiglabel Kingsoft.

Bei dem neuen Spiel ist offenbar der Wizard selbst die Kugel im Flipper und man spielt sich Stockwerk für Stockwerk einen Turm empor. Das ist soweit ganz lustig und gut gemacht, aber dafür gebe ich nicht jeden Monat 5€ aus - ganz gewiss nicht! Spiele wie „Die verzauberte Welt“, Outlanders, Possessions… die ich kurz angespielt habe, sind da nicht anders.

Mein Lieblingsgenre sind ja Adventures. Also probierte ich es kurz mit Stranded Sails. Offenbar funktioniert es nach dem Zelda-Prinzip, aber ich langweile mich zu schnell und kämpfe mit der Steuerung. Danach dann ein Blick auf Tangle Tower. Das hat Potenzial, läuft aber irgendwie auch nicht richtig rund. 

Vielleicht sollte ich mir also doch nicht nur die „Exclusives“ ansehen. Da ist noch das bekannte Jenny LeClue (siehe Foto), das ich bisher auch noch nicht gespielt hatte und das es - dank Crowdfunding - sogar für Linux gibt. Einzeln kostet dieses Spiel unter 20€. Das ist so viel wie vier Monate Arcade. Für das Geld kann man es bei Good Old Games (GOG) eben beliebig oft spielen - zwar ohne DRM, aber leider muss man deren absurden GOG-Galaxy-Installer tief in das System lassen. Eine Vertrauensfrage und die doppelte Downloadzeit. Obendrein lässt sich GOG-Galaxy nur mit guten Systemkenntnissen wieder vollständig entfernen. Das Spiel läuft dann aber weiterhin.

Die Steuerung auf dem iPad ist aber auch hier - typisch für Handyspiele - langsam und unpräzise. Ob es sich auf dem Mac besser spielt, wenn „im Herbst“ die Mac Version von Arcade startet? Ich wage den Test schon heute mit der GOG-Version. Die Steuerung ist auf Gamecontroller ausgelegt, aber anscheinend funktioniert mein Joystick nicht. So muss ich dann alles mit W-, A-, S- und D-Taste steuern, wo doch eine Maus viel besser wäre. Die 20€ hätte ich mir sparen sollen.

Fazit: Bisher erkenne ich den Mehrwert von Apples Spiele-Abo als Kunde nicht. Als günstige Methode Spiele vor dem Kauf auszuprobieren taugt es aufgrund des kleinen Katalogs nicht und exklusive Titel scheinen nicht auf dem Niveau der heutigen PC-Spieleindustrie zu sein, sondern eher typische Mobil-Spiele, die ohnehin nicht viel Geld kosten und kaum Langzeitmotivation bieten.

Ich habe mein Probeabo nach zwei Tagen wieder gekündigt und bei GOG und Steam kaufe ich auch erst einmal so schnell kein Spiel mehr.

Big in Japan (das NES)

Auch ich habe in den 80ern nicht alles mitbekommen. Ich habe das erste mal richtig bewusst etwas von Nintendo gehört, als der Game Boy überall verkauft wurde. Über das NES wusste ich damals praktisch nichts. Es ist an der Zeit, die Wissenslücke zu schließen.

Zum Amüsement meiner Leser habe ich mich noch nicht schlau gelesen und beschreibe erst einmal meine Eindrücke. Mir ist bewusst, dass ich das Gerät als Emulation erlebe und insofern nicht alles original ist. Ich kann keine Module/Cartridges anpusten und schauen, ob die Klappe stabil genug für den Dauereinsatz ist, aber das schlichte Design habe ich zumindest ansatzweise vor Augen.

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Wenn ich mir die Spiele ansehe, so habe ich doch schon vieles gesehen: Eines der zehn ersten Computerspiele, die ich je gespielt habe, war Donkey Kong auf dem VC20. Die Version auf dem NES spielt sich beinahe identisch.

Ist die Grafik besser? Mein Eindruck ist, dass das NES PAL mit ca 320x240 Pixeln macht und ca. 32 Farben hat. Der Sound klingt nach einem einfachen Synthesizer mit zwei Stimmen und 3 Wellenformen. Es hat anscheinend keine Sprites sondern lediglich eine schnellere CPU mit vielleicht 2 MHz. Ein Blick in Wikipedia gibt mir die wirklichen Daten: 1,8 MHz für NTSC, allerdings nur ca. 1,6 MHz für PAL. Der Videochip nennt sich PPU und hat 64 Sprites und 48 Farben mit nur 256x240 Pixeln. 5 Stimmen mit 4 Wellenformen und HW-Sampling.

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Für 1983 sind das hervorragende technische Daten, aber die Spiele wirken nicht immer besser als auf dem älteren und wesentlich schlechter ausgestatteten (wenn auch deutlich teureren) C64. Insbesondere bei der Musik hat der C64 mit seinem SID-Chip und den komplexen Filterklängen eindeutig die Nase vorn. Startet man beispielsweise Gradius (=Nemesis) auf dem NES so sind die Sprite-Details vielleicht näher am original Automaten, aber der C64 peppt den sonst eher piependen Soundtrack so gut auf, dass alles - zusammen mit der etwas weniger bunten Grafik - sehr überzeugend wirkt.

Als altes Joystick-Kind kann ich wenig zu den stylisch-schlichten Controllern des NES sagen, aber sie wirken solide und haben kurze Schaltwege. Die Genres Action-Adventure und Rollenspiel kommen mir von der Steuerung her auf Konsolen im allgemeinen etwas merkwürdig vor. Immerhin hatte ich die Gelegenheit einmal Final Fantasy und Zelda auszuprobieren. Es ist gut nachvollziehbar, wie daraus Klassiker werden konnten. Dass Great Giana Sisters das ältere Super Mario Brothers nicht nur gut kopiert, sondern übertroffen hat, halte ich aber weiterhin für gültig. 

© Sven Mertens 2019